Geschichte

Die älteste Geschichte Nepals ist – wie so vieles in Nepal – eng mit unzähligen Legenden verbunden. Sie erzählen von Göttern, Heiligen und wundersamen Ereignissen und tragen auch wesentlich zum Reiz des Landes bei.


Vorgeschichte


Auch der Ursprung des Kathmandutals geht auf eine Legende zurück. Demnach war das Tal, in dem die heutige Hauptstadt Kathmandu liegt, einst ein großer Gebirgssee, in dessen Mitte eine blau leuchtende Lotusblume wuchs, auf der sich der Ur-Buddha, der sogenannte Adi-Buddha, als Swayambhu – „der durch sich selbst Seiende“ – offenbarte. Um diesem zu huldigen, pilgerte der Bodhisattva Manjusri aus China hierher. Um nachkommenden Pilgern den Zugang zu erleichtern, schlug er mit seinem Schwert eine Schneise in die südliche Bergkette des Tals. Er schuf so einen natürlichen Abfluss. Dann entdeckte er, dass der Swayambhu sich auf einem Hügel befand. Er pilgerte dorthin und errichtete mit seinen Getreuen einen Stupa, der dem Höchsten Buddha (Adi Buddha) geweiht wurde: der Swayambhunath-Stupa. Er gilt heute als eine der ältesten buddhistischen Tempelanlagen der Welt.


Newar


Die Geschichte umschreibt die geologisch-hydrologische Situation Nepals. An der Stelle des Kathmandu-Tals gab es nämlich tatsächlich einen See. Er verschwand durch ein Erdbeben. Danach wanderten zahlreiche Menschen aus umliegenden Gebieten ein und vereinigten sich zum Mischvolk der sogenannten Newar. Sie gelten als die ursprünglichen Bewohner des Tals und gaben dem Land seinen Namen. Die Newars sind eine Gemeinschaft mit indo-arischer und auch tibeto-burmesischer Herkunft, die – auch bedingt durch die Einführung des Kastenwesens aus Indien – eine eigenständige Kultur und Sprache (Newari) entwickelte. Sie fielen durch ihre Kunstfertigkeit und als kluge Händler auf. Nepal unterhielt damals bereits profitablen Handel mit seinen mächtigen Nachbarn im Süden und Norden und fungierte dabei als Vermittler zwischen zwei Großmächten. Nach und nach entstand auf diese Weise eine eigene, unverwechselbare Kultur. Immer noch genießen die Newars hohes Ansehen in der nepalesischen Gesellschaft.


Buddha


Nach der Vorgeschichte, den Legenden und der frühen Geschichte des Landes beginnt eine dokumentierte Geschichtsschreibung Nepals im 4. Jahrhundert n. Chr. Seit damals wurde Nepal von aus Indien stammenden hinduistischen Dynastien beherrscht. Anfangs beschränkte sich das Königreich Nepal auf Kathmandu. Später entwickelten sich auch Siedlungen im Flachland Südnepals, dem heutigen Terai – mit Lumbini, dem Ort, an dem Prinz Siddharta Gautama 543 v. Chr. geboren wurde. Er, der Sohn des Königs Suddhodhana von Lumbini, ging später als erleuchteter Buddha in die Geschichte ein.


Monarchie


Nach 1200 setzte sich die Malla-Dynastie durch. 1482 wurde das Malla-Reich in die Königreiche Kathmandu, Bhatkapur, Patan und Banepa unterteilt. 1768 eroberten die Gurkha-Armeen Kathmandu und errichteten einen Zentralstaat. Prithvi Narayan Sha war der uneingeschränkte Herrscher über das gesamte Tal. Er machte Kathmandu zu seiner Hauptstadt und begründete die Sha-Dynastie, die bis heute fortbesteht. 1845 übernahm die Sippe Jung Bahadurs, die sich ab sofort Rana (= „Herrscher“, „König“) nannte, die Macht. Mit dem Kot („Festungs“)-Massaker war es ihr gelungen, nahezu alle Gegner auszuschalten. Die Rana-Dynastie regierte 1846–1951 diktatorisch mit erblichem Premierministeramt. Der König hatte nur noch repräsentative Aufgaben.


Nepal seit den 1950er Jahren


Während der gesamten Rana-Ära war Nepal für die meisten Besucher geschlossen. Nur einige konnten unter scharfen Beschränkungen das Land bereisen. Im Jahre 1950 wurde das Regime durch König Tribhuvan mit der Unterstützung Indiens zum Fall gebracht. Nepal öffnete sich der Außenwelt. Nach dem Tod König Tribhuvans im März 1955 bestieg sein Sohn Mahendra den Thron. Im Dezember 1960 wurde eine neue Verfassung in Kraft gesetzt: das parteilose System der Panchayat-Demokratie.


Nach blutigen Unruhen kehrte Nepal mit der Verfassung von 1990 schließlich zur konstitutionellen Monarchie zurück. König Birendra beauftragte den angesehenen Oppositionspolitiker Ganesh Man Singh mit der Bildung einer Übergangsregierung, die Wahlen vorbereiten sollte. Aus den ersten Wahlen in einem demokratischen Mehrparteiensystem ging nach einem hitzigen Wahlkampf der Nepali Congress (NC) als Sieger hervor und stellte den Premierminister Girija Prasad Koirala. Mehr als einen Achtungssieg verbuchten auch die Kommunisten. Kommunistische Parolen, die woanders längst zum Alteisen gehören, haben in einem Land, in dem viele Bewohner rein gar nichts zu verlieren haben, durchaus noch Zugkraft!


1996 bildete sich die maoistische Guerillaorganisation Jana Yudha („Volkskrieg“) und begann in den schwer zugänglichen Tälern des Himalayas ihren Kampf gegen die Monarchie und die Regierung in Kathmandu. Ihr Ziel war es, soziale Gerechtigkeit zu schaffen und der Korruption und Polizeiwillkür ein Ende zu bereiten. Währenddessen machten auch andauernde Regierungswechsel dem Land wirtschaftlich schwer zu schaffen. Die Bevölkerung verlor jegliches Vertrauen in die Regierenden, denen sie nachsagt, sich nur selbst bereichern zu wollen.


2001 fielen der seit 1972 regierende König Birendra und weitere neun Familienmitglieder der Königsfamilie einem Mordanschlag zum Opfer. Nach einer ausführlichen Untersuchung soll Kronprinz Dipendra das Massaker verübt haben, weil das Königspaar sich weigerte der Hochzeit mit seiner Geliebten Devyani einzuwilligen. Gyanendra, ein Bruder Birendras, wurde zum neuen König gekrönt. Weite Teile des Volkes sahen in dem königlichen Massaker ein von Gyanendra inszeniertes Komplott. Er wurde zu einem größtenteils ungeliebten, teils sogar verhassten Monarchen. Viele Fragen blieben offen und die Auseinandersetzungen mit maoistischen Rebellen setzten sich fort.


Machtwechsel


2002 löste der König auf Antrag der Regierung das Parlament auf, 2005 setzte er das Kabinett ab, riss die Macht ganz an sich und verhängte den Ausnahmezustand. Während des zehnjährigen Bürgerkriegs wurden mehr als 13.000 Menschen getötet. Nach mehrwöchigen Protesten und Streiks musste der König 2006 der Wiedereinsetzung des Parlaments zustimmen. Girija Prasad Koirala wurde wieder zum Premierminister berufen. Im selben Jahr wurde durch Vermittlung der UNO ein Friedensabkommen zwischen Premierminister Koirala und Rebellenchef Prachanda geschlossen. Alle Truppen mussten sich zurückziehen. Die Maoisten, die sich am demokratischen Transformationsprozess beteiligten, wurden unter Kontrolle der Vereinten Nationen entwaffnet.


2007 trat eine Übergangsverfassung in Kraft, ein Übergangsparlament übernahm die Legislativgewalt. Die Funktion des Staatsoberhauptes ging auf Regierungschef Koirala über. Damit war der König endgültig entmachtet. Die Zahl der Touristen stieg nach dem Waffenstillstand wieder stetig an.


Am 10. April 2008 fanden Wahlen zu einer verfassungsgebenden Versammlung statt, bei der die Maoisten als Sieger hervorgingen. Im Mai 2008 wurde die – auch religiös verankerte – Monarchie abgeschafft. Nepal wurde zur Republik. Im Juli 2008 wurde Ram Baran Yadav (NCP) zum ersten Präsidenten der Republik gewählt. Zum neuen Regierungschef wählte die verfassungsgebende Versammlung den früheren Rebellenführer Prachanda. Der innenpolitische Friedensprozess geriet jedoch durch die Forderung der Maoisten, die etwa 23.000 Soldaten ihrer Guerilla-Armee in die regulären Streitkräfte zu integrieren, in eine schwere Krise. Nach dem gescheiterten Versuch, den Armeechef zu entlassen, trat Premierminister Dahal im Mai 2009 zurück.

Die verfassungsgebende Versammlung erhielt das Mandat eine neue endgültige Verfassung auszuarbeiten. Durch die unterschiedlichen Forderungen der verschiedenen Parteien konnten die immer wieder neu gesetzten Fristen für eine neue Verfassung nicht eingehalten werden. Es sollte zu Neuwahlen kommen, die nach langem hin und her schließlich am 19. November 2013 abgehalten wurden. Wann Nepal endlich zu einer gültigen Verfassung kommt ist zum jetzigen Zeitpunkt offen. Nepal wird nach wie vor mit einer Übergangsverfassung regiert. Politisch gesehen befindet sich das Land seit der Ausrufung der parlamentarischen Republik im Stillstand.

„Jeder wachsame Schritt, jede achtsame Handlung ist der direkte Weg zum Erwachen. Wo immer du gehst, da bist du.“

Siddharta Gautama / Buddha